SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement mbH
21. August 2019 - SHS News

SHS-Medizintechnik-Index: Wachstumsdynamik der deutschen Medizintechnik verliert an Schwung

Seit Jahren wächst der deutsche Medizintechniksektor deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft. Der demographische Wandel und das Vertrauen in Gesundheitsprodukte „Made in Germany“ machen die Medizintechnik zu einer erfolgreichen, profitablen und stabilen Branche. Von Konjunkturzyklen kann sie sich weitgehend abkoppeln. Nach starken Zuwächsen verliert der Aufwärtstrend der Medizintechnik seit 2016 aber an Schwung: Ein erstmals berechneter Branchenindex misst einen Wert von knapp 112% für 2016, der 2017 auf 110,5% zurückging und 2018 auf 109,7% fiel. Die Wachstumsdynamik ausgebremst haben könnten schärfere regulatorische Vorgaben, die 2017 mit der Medizinprodukteverordnung in Kraft traten. Die Entwicklung des Sektors im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft erfasst der Medizintechnik-Index der SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement, den der Investor in Kooperation mit Christian Koziol, Professor und Lehrstuhlinhaber für Finance an der Universität Tübingen, konzipiert und errechnet hat. Das Innovations- und Wachstumspotential des Sektors misst der Index über die vier Indikatoren Umsatz, Erwerbstätigenzahlen, Patentzulassungen und Aktienkursentwicklungen. Der Index soll künftig jährlich aktualisiert werden.

Christian Koziol, Professor und Lehrstuhlinhaber für Finance an der Universität Tübingen und einer der beiden Initiatoren des Index, kommentiert: „Die Medizintechnikbranche ist von wesentlicher Bedeutung für den Industriestandort Deutschland. Der SHS-Medizintechnik-Index soll das Wachstum, die Innovationsfähigkeit und die wirtschaftliche Stärke der Branche mittels volkswirtschaftlicher Kennzahlen quantifizieren, ihre Entwicklung über den Beobachtungszeitraum hinweg aufzeigen und in gesamtwirtschaftliche Relation setzen. Damit kann der Index genauen Aufschluss darüber geben, wie sich die deutsche Medizintechnik entwickelt.“

Der SHS-Medizintechnik-Index bildet die Entwicklung der Branche seit 2010 ab. Seitdem, so beobachten die Initiatoren, fährt die Branche deutlich besser als die Gesamtwirtschaft. Einen „Outperformance“-Höhepunkt erreichte der Index im Jahr 2016 mit 112%. Steigende Komplexität und ein immer dichter werdendes regulatorisches Regelwerk scheinen die Dynamik aber seitdem zu hemmen: „Der Verlauf des Index macht deutlich: Die Medizintechnikbranche weist ein überdurchschnittliches Wachstum auf. Der Sektor entwickelt sich weniger schwankend und konjunkturabhängig. Zudem schafft er eine Vielzahl von Arbeitsplätzen“, sagt Hubertus Leonhardt, Geschäftsführender Partner bei SHS.

Quelle: SHS-Medizintechnik-Index 2019

Kleine und mittelgroße Unternehmen benötigen finanzielle und strategische Unterstützung

Die seit 2017 geltende Medizinprodukteverordnung stellt deutlich höhere Anforderungen an die Zulassungs- und Prüfverfahren als die bis dahin geltende Richtlinie. Damit erhöhen sich Entwicklungszeit und -kosten, was zu einer finanziellen Belastung und einer schwierigen Eigenkapitalsituation gerade für kleine und mittelgroße Unternehmen führen kann. Den zusätzlichen Aufwand für Innovationsprojekte und für die Neuzertifizierung von Bestandsprodukten stemmen viele kleine und mittelgroße Player nur noch mit Mühe. „Gerade sie benötigen immer häufiger starke und gut vernetzte Partner, die sie bei der Bewältigung der regulatorischen Hürden und beim Unternehmenswachstum finanziell und strategisch unterstützen. Wir sehen aber auch den Trend, dass kleine und mittelgroße Unternehmen verstärkt nach Akquisitionsmöglichkeiten Ausschau halten. Sicherlich versuchen sie damit eine kritische Größe zu erreichen. Zudem können sie durch Zusammenschlüsse und Unternehmenszukäufe Marktanteile gewinnen und ihr Produktportfolio erweitern“, erläutert SHS-Partner Hubertus Leonhardt.

Anzahl an Patentzulassungen verharrt auf hohem Niveau

Das enorme Innovationspotential der deutschen Medizintechnik und die immense Dynamik der letzten Jahre zeigt sich besonders im Blick auf die Anzahl der Patentzulassungen. Im Jahr 2010 wurden insgesamt 499 Patente aus dem Medizintechnik-Spektrum zugelassen, 2016 waren es 1.075 – die Zulassungen haben sich innerhalb von sechs Jahren mit einem Plus von 115% also mehr als verdoppelt. Die Anzahl an Patentzulassungen insgesamt nahm hingegen nur um rund 50% zu: 12.550 (2010), 18.728 (2016). Die Gesamtwirtschaft hinkte der Medizintechnik also deutlich hinterher. Ab 2016 verkehrte sich die Lage. Die Wachstumsdynamik der Gesamt-Patentzulassungen hielt in den Jahren 2017 und 2018 an. Ihre Zahl erhöhte sich innerhalb von zwei Jahren um rund 10% und erreichte mit 20.804 (2018) einen neuen Höchststand. Die Entwicklung der Anzahl von Patentzulassungen aus dem Medizintechnikbereich hingegen stagnierte: Analog zum Verlauf des SHS-Medizintechnik-Index verlor auch die Entwicklung der Patentzulassungen seit 2016 beträchtlich an Schwung und verharrt seitdem mit gut über 1.000 Zulassungen auf hohem Niveau.

Quelle: SHS-Medizintechnik-Index 2019/ Europäisches Patentamt

„2017 und 2018 wurden nicht wesentlich mehr Medizintechnik-Patente zugelassen als 2016. Da muss man nicht in Alarmismus verfallen“, sagt SHS-Partner Hubertus Leonhardt. Denn es sei unstrittig, dass die industrielle Stärke, die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Ingenieure, vor allem aber die enge Verzahnung der Hochschul- und Forschungslandschaft mit der Wirtschaft in vielen Regionen Deutschlands ein gutes Innovationsklima in der Branche geschaffen habe. „Die Entwicklung der Patentzulassungen im Medizintechniksektor zeigt aber, dass die grundsätzlich vorteilhaften Rahmenbedingungen gefährdet sein können, wenn man die Innovationsfähigkeit einer Branche mit regulatorischen Maßnahmen zu hemmen beginnt“, so Leonhardt weiter. Hier ist Sensibilität seitens des Gesetzgebers und der Regulierungsbehörden gefordert. „Das gilt umso mehr, wenn das konjunkturelle Umfeld rauer wird.“ Dabei steht die Medizintechnik ohnehin vor umfassenden Umwälzungen: In der Zukunft werden vor allem die Herausforderungen des demografischen Wandels und die Entwicklungen beispielsweise in den Bereichen Digital Health und Management von chronischen Krankheiten weiteres Wachstum in diesem Sektor antreiben. Hubertus Leonhardt beobachtet, dass die USA das regulatorische Regelwerk tendenziell eher abbauen. In Europa hingegen bemerkt er einen gegenläufigen Trend: „Während die USA auf innovationsfreundliche Rahmenbedingungen zu setzen scheint, droht Europa durch die zunehmende Regelungsdichte seinen Vorsprung einzubüßen.“

Über den SHS Medizintechnik Index:

Der SHS Medizintechnik Index wurde von der SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement in Kooperation mit Professor Dr. Christian Koziol von der Eberhard Karls Universität Tübingen entwickelt. Der Index erfasst und vergleicht Wachstumspotential, Innovationskraft und wirtschaftliche Leistung der deutschen Medizintechnikbranche mit der deutschen Gesamtwirtschaft. Hierzu wurden volkswirtschaftliche Kennzahlen (Zahl der Patentzulassungen, Umsatz bzw. BIP, Zahl der Erwerbstätigen, Aktienkurse) sowohl für die Branche als auch die Gesamtwirtschaft seit dem Jahr 2010 erfasst und analysiert. Die Daten wurden mit Hilfe eines mathematischen Modells normiert und fließen gewichtet in den Index ein. Der Index wird künftig jährlich aktualisiert.

Über die SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement mbH:

Die Tübinger SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement investiert in Medizintechnik- und Life-Science-Unternehmen mit Fokus auf Expansionsfinanzierungen, Gesellschafterwechsel und Nachfolgesituationen. Dabei geht SHS sowohl Minderheits- als auch Mehrheitsbeteiligungen ein. Als erfahrener Brancheninvestor unterstützt das 1993 gegründete Unternehmen das Wachstum seiner Portfoliogesellschaften durch ein Netzwerk an Kooperationen, zum Beispiel bei der Einführung neuer Produkte, bei regulatorischen Themen oder beim Eintritt in weitere Märkte. Zu den deutschen und internationalen Investoren der SHS-Fonds gehören etwa berufsständische Versorgungswerke, Pensionsfonds, strategische Investoren, Dachfonds, Family Offices, Unternehmer und das SHS-Managementteam. Das Eigenkapital-Investment der AIFM-registrierten Gesellschaft beträgt bis zu 30 Mio. €, darüber hinausgehende Volumina können mit einem Netzwerk von Co-Investoren umgesetzt werden. Aktuell investiert SHS aus seinem fünften Fonds. Der Fonds hat bereits Kapitalzusagen in Höhe von über 130 Mio. Euro erhalten. Weitere Informationen: https://www.shs-capital.eu