SHS-Workshop „Best Practice Supply Chain“
Die Medizintechnik-Industrie hat es nicht gerade leicht gehabt in den letzten 2 Jahren. Neben der Pandemie, die die Branche durchgeschüttelt hat, stellen vor allem die MDR (Medical Device Regulation) der EU und die Digitalisierung die Unternehmen vor große Herausforderungen, die Manpower und Kapital binden. Dazu kommen jetzt pandemiebedingten Lieferkettenprobleme, die sich je nach Unternehmen unterschiedlich stark auswirken.
Eine Entwicklung, die auch an Portfoliounternehmen der SHS nicht spurlos vorübergeht. Die SHS als erfahrener Brancheninvestor hat sich daher Ende Mai 2022 entschlossen, einen Workshop zu diesem Thema zu veranstalten. „Best Practice Supply Chain“ hieß die Veranstaltung, an der rund ein Dutzend Medtech-Unternehmen aus dem Portfolio der SHS teilnahmen. Ziel des Workshops war ein offener, vertrauensvoller Erfahrungsaustausch, bei dem Probleme angesprochen und Ideen für Lösungen ausgetauscht werden sollten.
Lukas Maucher, als CFO neu bei der SHS, hat den Workshop gemeinsam mit Uwe Steinbacher geleitet.
Redaktion: Herr Maucher, welches Fazit ziehen Sie nach dem Workshop „Best Practice Supply Chain“?
Lukas Maucher: Zunächst haben wir uns über die gute Resonanz bei unseren Portfoliounternehmen gefreut. Das zeigt, dass das Thema vielen Unternehmen unter den Nägeln brennt. Interessant war für uns, dass jedes Unternehmen andere Lieferkettenprobleme hat und dementsprechend eigene Strategien entwickelt.
Welche Faktoren können generell zu Problemen in der Supply Chain führen?
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die sich unterschiedlich stark auf die Lieferkette eines Unternehmens auswirken können. Mal sind es lokale Konflikte am Standort des Lieferanten, mal wirtschaftliche Probleme oder gar die Insolvenz des Suppliers. Dann können sich die Kundenbedürfnisse ändern, die ebenso Einfluss auf die Beschaffung eines Medtech-Unternehmens haben, ebenso wie regulatorische Neuerungen, Stichwort: MDR. Daneben gibt es Ereignisse, die in die Kategorie „Schwarzer Schwan“ fallen, das heißt nicht vorraussehbare Ereignisse wie Krieg, Terrorangriffe, Cyberattacken und Naturkatastrophen. Und dann gibt es noch sogenannte „Brewing Storms“, also Probleme, die sich vorhersehbar aufbauen, wie ein Hurrikan.
Mit welchen Lieferketten-Schwierigkeiten haben Medtech-Unternehmen konkret zu kämpfen?
Unsere Portfoliounternehmen stellen Hightech-Produkte her, die zum Teil komplex und anspruchsvoll in der Herstellung sind. Da kann man nicht einfach mal schnell einen Lieferanten auswechseln. Schließlich müssen auch die Vorprodukte höchsten Anforderungen genügen und den Regularien entsprechen. Eine Lösung wäre zum Beispiel Zulieferteile auf Vorrat zu bestellen und ein größeres Lager aufzubauen. Das bindet natürlich Kapital. Aber wenn ein Medtech-Hersteller nicht liefern kann, weil er wegen Materialmangel nicht produzieren kann, hat er ein noch viel größeres Problem.
Wie haben sich denn die Lieferzeiten in der Supply Chain verändert?
40 bis 60 Wochen längere Lieferzeiten sind heute keine Seltenheit mehr, wenn man aus Asien Vorprodukte bezieht. Dazu kommen extreme Preisschwankungen oder, noch schlimmer, dauerhafte dramatische Preiserhöhungen.
Ist Secound Sourcing so schnell umsetzbar?
Second Sourcing klingt gut, aber: Alle Teile, die von einem neuen Lieferanten stammen, müssen neu getestet und gegebenenfalls auch behördlich zugelassen werden. Das ist ein sehr zeit- und kostenintensiver Prozess. Und je mehr Teile ein Hersteller bezieht, desto aufwendiger wird das. Die MDR hilft hier auch nicht unbedingt weiter. Aufgrund Unternehmensgröße ist es für Mittelständler nicht immer einfach, ein Second Sourcing aufzubauen – und meistens für den Zulieferer auch nicht sehr attraktiv. Aber prinzipiell ist Second Sourcing eine Option, um die Supply Chain resilienter zu machen.
Stichwort Einkaufsverlagerung. Wird sich das Einkaufsverhalten der Medtech-Firmen ändern – weg vom globalen Einkauf hin zu einer Beschaffung im eigenen Land?
Dieser Trend ist sichtbar. Das geht im Einzelfall so weit, dass Unternehmen den Zulieferer am liebsten in der eigenen Region hätten, so dass man auch mal schnell mit dem Auto hinfahren kann, um Teile abzuholen. Kurzfristig ist das nicht so leicht umsetzbar, aber auf lange Sicht kann das für viele Unternehmen sinnvoll sein, ohne hier gleich von Deglobalisierung reden zu wollen. Aber es ist schon ernüchternd, wenn ein deutsches Unternehmen keine hochklassigen Fahrräder ausliefern kann, weil die Bremsen in einem Container im Suezkanal feststecken, um mal ein konkretes Beispiel aus einer anderen boomenden Branche zu nennen.
Wirken sich Lieferkettenprobleme letztendlich auch auf die Patienten aus?
Unsere Portfoliofirmen berichten aktuell nicht von unmittelbaren Auswirkungen auf die Patienten. Aber klar ist, die Situation wird nicht einfacher, auch aufgrund der MDR. Und wenn ein lebenswichtiges Produkt wie zum Beispiel ein Stent oder ein Herzschrittmacher nicht beim Patienten ankommt, weil die Lieferkette unterbrochen ist oder die MDR-Zulassung nicht vorangeht, dann wird es dramatisch.
Wie hilft die SHS als Medtech-Investor ihren Portfoliofirmen?
Zum Beispiel durch einen solchen Workshop zum Thema Lieferkette, wo sich Unternehmen offen austauschen. Oder indem wir gezielt Supply-Chain-Expertise über unser Netzwerk zur Verfügung stellen. Denkbar sind auch Plattformen, die die Unternehmen in die Lage versetzen, gemeinsam ein aktives Powershopping zu betreiben. Wir stellen hier gerne alle notwendigen Tools und unsere jahrzehntelange Erfahrung im Healthcare-Bereich zur Verfügung. Denn die SHS will, dass ihre Portfoliounternehmen in Sachen Supply Chain maximale Resilienz aufbauen.
Vielen Dank für das Gespräch!