Serie: Healthcare-Experten bei der SHS
Die SHS genießt als spezialisierter Medtech-Investor bei Unternehmen und institutionellen Anlegern einen sehr guten Ruf, weil wir auf ein starkes Netzwerk von Expertinnen und Experten zurückgreifen. Eine besondere Rolle spielen dabei die medizinisch-technischen Healthcare-Experten, die die SHS und die Portfoliounternehmen unterstützen. Einige unserer Healthcare-Experten wollen wir Ihnen in den nächsten Ausgaben unseres Newsletters in kurzen Interviews vorstellen.
Professor Dr. Adrien Daigeler (47) ist seit 2017 Direktor der Klinik für Hand-, Plastische, Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie an der Berufsgenossenschaftlichen Klinik Tübingen. Professor Daigeler hat in Würzburg Medizin studiert und ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie sowie Intensivmedizin. Bevor er nach Tübingen kam, hat er am BG Klinikum Bochum und an der BG Klinik Ludwigshafen in leitenden Positionen auf dem Gebiet der Hand-, Plastischen, Rekonstruktiven und Verbrennungschirurgie gearbeitet.
Redaktion: Wo sehen Sie die größten Fortschritte auf Ihrem Fachgebiet in den letzten Jahren?
Prof. Daigeler: Große Fortschritte haben wir in den letzten Jahren in der Mikrochirurgie gesehen, vor allem bedingt durch besseres Instrumentarium und bessere Mikroskope. Wir können heutzutage viel kleinere Dinge rekonstruieren. Auch Lymphgefäße und Blutgefäße, die kleiner als 1 mm sind, können wir gut nähen. Darüber hinaus gibt es auch in unserem Bereich Fortschritte auf dem Gebiet der Robotik, Augmented Reality und 3D-Darstellungen oder auch Ansätze für Lösungen zur Zitterkompensation. Hier hat sich schon einiges getan und da wird auch noch viel passieren. Sehr hilfreich bei Gewebetransplantationen sind Bildgebungsverfahren mit Kameras über dem Patienten, die dem Chirurgen während der OP zum Beispiel anzeigen, welche Bereiche eines Gewebes gut durchblutet sind und welche nicht. Eine große Innovation im Bereich Verbrennungen ist Nexobrid®, ein enzymbasiertes Arzneimittel aus der Rinde des Ananasbaums. Für uns ist das fast ein Wundermittel, weil es bei Patienten mit tiefen thermischen Verletzungen das tote, verbrannte Gewebe exakt vom gesunden Gewebe unterscheiden kann. Das tote Gewebe kann dadurch haarscharf vom gesunden Gewebe abgelöst werden.
Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Ich rechne in unserer Disziplin mit weiteren Fortschritten in der Robotik, der Mikroskopie und der Augmented Reality. Dazu wird es weitere Entwicklungen bei den intraoperativen Navigationshilfen geben, bei denen zum Beispiel Tumorgrenzen auf den Patienten projiziert werden können. Da gibt es schon Prototypen, aber das dauert, bis solche Systeme in Serie gehen. Das ist unglaublich teuer, und dann muss es auch einen Markt für diese Geräte geben.
Wo würden Sie sich von Medtech-Unternehmen noch mehr Unterstützung wünschen?
Es wäre gut, wenn die Roboter billiger werden würden. Angesichts der angespannten Finanzlage in den Kliniken sind diese Systeme einfach noch viel zu teuer, um sich in der Breite durchzusetzen. Dazukommt, das haben Studien gezeigt, dass diese Systeme den menschlichen Operateuren nicht wirklich überlegen sind. Wenn Sie mich fragen, stehe ich lieber am OP-Tisch und arbeite direkt am Patienten. Was nicht bedeutet, dass es nicht Nischenanwendungen gibt, wo ein OP-Roboter wirklich gut ist. Aber, wie gesagt, es muss sich auch rechnen.
Wie bringen Sie Ihr Wissen als Healthcare-Experte bei der SHS ein?
Mein Ziel ist es, meine Erfahrung und mein Wissen so einzubringen, dass die Medizintechnikfirmen zum einen keine Produkte entwickeln, die niemand braucht. Zum anderen gibt es manchmal gute Produktansätze, denen aber dann ein, zwei entscheidende Features fehlen, damit das Produkt erfolgreich sein kann. Ich würde mir wünschen, dass die Entwicklungsingenieure uns Praktiker aus den Kliniken früher ins Boot holen, damit die Produkte nachher wirklich das können, was wir etwa im OP brauchen. Unsere Beratung kann dabei via Fragebogen laufen oder über Telefoninterviews oder eben dann persönlich in Workshops mit den Entwicklern. Wichtig scheint mir, dass Medtech-Produkte nicht am Markt vorbei entwickelt werden, dazu ist die Entwicklungsarbeit doch viel zu teuer.
Wir danken für das Gespräch!