Healthcare-Experten bei der SHS: Professor Dr. Arnulf Stenzl
Die SHS genießt als spezialisierter Medtech-Investor bei Unternehmen und institutionellen Anlegern einen sehr guten Ruf, weil sie auf ein starkes Netzwerk von Expertinnen und Experten zurückgreift. Eine besondere Rolle spielen dabei die medizinisch-technischen Healthcare-Experten, die die SHS und die Portfoliounternehmen unterstützen.
Professor Dr. Arnulf Stenzl ist seit 20 Jahren Ärztlicher Direktor der Klinik für Urologie der Universitätsklinik Tübingen. Der gebürtige Kärntener hat in Graz sein Medizinstudium absolviert und als Facharzt für Urologie an führenden Kliniken in Österreich, den USA und der Schweiz praktiziert und geforscht, bevor er 2002 dem Ruf der Universität Tübingen folgte. Professor Stenzl hat mit seiner Arbeit und seiner Expertise maßgeblich dazu beigetragen, dass die Tübinger Uni-Klinik für Urologie weltweit einen exzellenten Ruf auf dem Gebiet der urologischen Onkologie und der urologischen Chirurgie genießt. Tübingen gilt heute als eines der führenden Zentren für alle Prostataerkrankungen.
Redaktion: Wo sehen Sie die größten Fortschritte auf Ihrem Fachgebiet in den letzten Jahren?
Prof. Stenzl: Die größten Fortschritte verzeichnen wir im Bereich der rekonstruktiven Urologie. Damit meine ich die größtmögliche Wiederherstellung von Harnleiter und Blase, teils auch mit Tissue-Engineering. Auf dem Gebiet der Onkologie geht die Entwicklung dahin, dass wir heute minimalinvasiv operieren (wenn überhaupt) und dann in Kombination mit einer Immun- und Chemotherapie behandeln. Eine Erfolgsgeschichte ist die Behandlung des Hodentumors: hier haben wir heute eine Heilungsquote von rund 90 Prozent. Beim Prostatakarzinom sind wir mittels der Früherkennung inzwischen bei 80 Prozent Heilungsquote angekommen, Tendenz weiter steigend.
Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Prof. Stenzl: Die Prognosestellung wird gerade beim Prostatakarzinom immer wichtiger. Es geht darum, zu entscheiden, welche Tumore behandelt werden müssen, welche wir gar nicht behandeln und in welchen Fällen wir noch warten können mit der Behandlung. Darüber hinaus wird es mehr um die Frage gehen, ob wir immer die ganze Prostata behandeln. Wobei wir mit dem minimalinvasiven Prostataoperationsverfahren, bei dem Nebenwirkungen weitestgehend vermieden werden können, eine sehr sichere Behandlungsoption haben. Diese können wir heute mit einer Mandelentfernung oder Blinddarm-OP vergleichen. Was die roboterunterstützte Operation angeht, gehe ich davon aus, dass es in den nächsten Jahren zahlreiche neue Anbieter mit hochwertigen OP-Robotern geben wird. Schon heute profitieren viele von dieser Art des Eingriffs, weil wir die Wundfläche dadurch sehr klein halten können. Wir gehen davon aus, dass sich die gesamte Chirurgie hier durch den medizintechnischen Fortschritt weiter verändern wird. Mit diesen Geräten können wir hochpräzise Schlüssellochoperationen mit sehr geringen Nebenwirkungen für den Patienten durchführen. Voraussetzung dieser Minimalisierung ist natürlich ein intensives Training des Operateurs, vorab auch am Simulator.
Was die Weiterentwicklung der intraoperativen Diagnostik bei minimalinvasiven Eingriffen angeht, rechne ich in den nächsten Jahren mit großen Fortschritten. In Tübingen laufen in unserem Graduiertenkolleg dazu mehrere Forschungsprojekte. Ziel ist es zum Beispiel, mittels optischer Kohärenztomographie und elektrischer Sensoren während der Operation Befunde in Echtzeit zu bekommen, um gutartiges Zellgewebe von bösartigem unterscheiden zu können.
Ist das Thema Prostatakrebs-Vorsorge bei Männern so präsent wie es sein sollte?
Prof. Stenzl: Die Vorsorge und die Früherkennung sind bei Prostatakrebs das A und O. Mit dem PSA-Wert haben wir einen der besten Marker dafür und dieser wird Teil einer diagnostischen Kaskade. Dazu kommt in Zukunft vermehrt der Mikro-Ultraschall, der ein Vielfaches an Präzision gegenüber dem Standard-Ultraschall bietet. Oder auch Urintests zur Diagnose von Exosomen im Harn. Auch der Stockholm-3-Test wird von Nordeuropa zu uns kommen, auch hier spielt ein Urintest eine zentrale Rolle. Was die Vorsorge angeht: das ist ein ganz wichtiges Thema. Es braucht hier noch mehr Aufklärung bei den Männern und auch die Kostenübernahme bei der Prostata-Vorsorgeuntersuchung. Es ist nicht zu verstehen, warum der PSA-Test in Deutschland von den Kassen nicht übernommen wird. Immerhin ist der Prostatakrebs die zweithäufigste Todesursache bei Männern.
Was hat Sie dazu bewogen, die SHS als Healthcare-Experte zu unterstützen?
Prof. Stenzl: Die Urologie ist eine Disziplin, in der die Medizintechnik traditionell eine wichtige Rolle spielt. Endoskopie, Laparoskopie, Laser, usw. sind in der Urologie seit Langem im Einsatz. Die Universität Tübingen hat mit der Universität Stuttgart ein gemeinsames interdisziplinäres Institut für Medizintechnik, für das ich mich engagiere. Da meine Arbeit eng mit der Medizintechnik zu tun hat, liegt es nahe, dass ich meine Erfahrung und mein Wissen in die Zusammenarbeit mit der SHS einbringe. Je mehr Praxiserfahrung in die Entwicklung von neuer Medizintechnik einfließt, desto besser.
Und wie erholen Sie sich von Ihrem fordernden Beruf?
Prof. Stenzl: Am besten tanke ich Kraft an der frischen Luft, beim Ausdauersport: auf dem Rennrad, mit dem Mountainbike, beim Joggen im Wald und im Winter beim Skifahren.
Wir danken für das Gespräch!